Erinnerung mit Gegenwartsbezug: Gräber der Kornsand-Opfer sollen Ehrengräber der Stadt werden

Die noch auf den Niersteiner Friedhöfen bestehenden Grabstätten von Opfern des Kornsandverbrechens solle der
Stadtrat zu Ehrengräbern erklären, und sich für deren dauerhafte Erhaltung verantwortlich fühlen. Diese bereits in
der Vergangenheit erhobene Forderung bekräftigte der Vorsitzende des Niersteiner Geschichtsvereins, Hans-Peter Hexemer, bei seinem Vortrag im Haus der Gemeinde, bei dem er über die Mordtat vom 21. März 1945, die Opfer, die Täter und die juristische und gesellschaftliche Aufarbeitung sprach.
Im Rahmen der  historischen Vortragsreihe  „Sozialdemokraten gegen Hitler“ , die  anlässlich der  150-Jahr Feierlichkeiten  der SPD im Unterbezirk Mainz –Bingen  stattfinden, schilderte Hexemer  dabei den Geschehensablauf in Nierstein. Nur dort waren wenige Tage vor dem Eintreffen der Amerikaner frühere politische Gegner aus den Reihen der SPD und KPD verhaftet worden. Ein offenkundiger Willkürakt, vermutlich auch von persönlichen Motiven getrieben. Bei den überörtlichen Stellen in Darmstadt behielt man die Menschen eine Nacht in Haft, schickte sie danach wieder in Richtung Nierstein. An der Fähre wurden sie von dem Niersteiner Leutnant Funk denunziert und zwar als größte Verbrecher und Kommunisten. Sie wurden aufgrund dessen an der Überfahrt gehindert und danach ohne auch nur den Anschein eines Verfahrens vom Kampfkommandanten Schniering zum Tode verurteilt. Die Ermordung  von Jakob Schuch, Johann und Cerry Eller, Nikolaus Lerch und Georg Eberhardt nahm, nachdem sich viele geweigert hatten, der junge Leutnant Kaiser durch Genickschuss vor. Der Oppenheimer Volkssturmmann Rudolf Gruber, dem Fahnenflucht vorgeworfen worden war, wurde ebenfalls ermordet. Alle drei unmittelbaren Täter wurden zu unterschiedlich langen Haftstrafen verurteilt, die keiner komplett absitzen musste. Der NSDAP-Ortsgruppenleiter, der die Verhaftungen durchführen ließ, wurde freigesprochen.
Die ganze Brutalität des Verbrechens an den sechs Menschen wird im Obduktionsbericht von Dr. Zimmermann deutlich, der Mitte April 1945 die Leichen untersuchte. Zu diesem Zeitpunkt war das Verbrechen bekannt geworden durch den Fährwirt Wehner. Die Leichen wurden dann ausgegraben und die Särge von ehemaligen Nazigrößen nach Nierstein und Oppenheim getragen. Zimmermann stellt vor der Ermordung zahlreiche Misshandlungen mit stumpfen Gegenständen fest, Kieferverletzungen, ausgeschlagene Zähne. Insgesamt kommt er zu dem Urteil, dass es sich um eine ruchlose Tat handelt von großer Brutalität.
1954 wird auf dem Kornsand ein Gedenkstein enthüllt mit den Namen der Opfer.
Bei diesem Anlass spricht der frühere Innenminister von Rheinland-Pfalz, Jakob Steffan (SPD) aus Oppenheim, der selbst von den Nazis verfolgt wurde. Er unterstreicht die Aussage des Gedenksteins, alles zu tun, dass sich solche Ereignisse nicht wiederholen. Nach Jahren getrennter Gedenkstunden, gibt es seit 1985 wieder ein gemeinsames Erinnern. 1985 auch wurde durch einstimmigen Beschluss des Niersteiner Gemeinderates die Straße an der Fähre als „Straße der Kornsand-Opfer“ benannt. 2013 wurden für die Opfer Stolpersteine in den beiden Städten verlegt. Hexemer kündigte an, dass zum 50. Jahrestag die Ausstellung zu den Kornsandmorden im März 2015 in Niersteiner Rathaus gezeigt werde.
Die Erinnerung an die Kornsandmorde sei jedoch nie nur ein Blick zurück, sie sei immer auch Apell zur Wachsamkeit gegenüber Rechtsradikalen und neuen Nazis.
Zugleich sei sie ein Aufruf, sich mit Mut und Engagement gegen Intoleranz, Ausgrenzung und Hass gegen Minderheiten zu wenden.  Ein solches und alles politische Engagement stärke die Demokratie, sagte die SPD-Ortvorsitzende Sabine Stock. Die Diskussion in der Veranstaltung unterstrich diesen Aspekt mit Nachdruck.
Die SPD Nierstein und Schwabsburg wird einen Antrag im Stadtrat einbringen, der möglichst von allen Fraktionen unterstützt wird, mit der Forderung,  die Gräber der Kornsandopfer  zu Ehrengräbern zu erklären.

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